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Autogenes Training (AT)



für MS-Betroffene nach Ruth Dünkel + (Diplom-Psychologin), war selbst MS-Betroffene

Das autogene Training könnte man als eine Art ,,Selbsthilfemethode“ bezeichnen, die den Verstand und das Gefühl bzw. Geist und Körper in Einklang bringen soll. Wir sprechen von ,,Selbsthilfemethode“, weil das AT mehr als andere Therapien auf aktiver, eigener Arbeit beruht und in einem geringeren Maße als andere Therapien auf dauerhafte Fremdhilfe angewiesen ist.

Der Berliner Nervenarzt, Prof. Dr. Johannes-Heinrich Schultz, gilt als der Wegbereiter des AT. Dieser Weg des autogenen Trainings ist abgeleitet von der ärztlichen Hypnose und stellt im eigentlichen Sinne eine Selbsthypnose mit dem Ziel dar, daß es dem Lernenden mit jeder Übung zunehmend gelingt, mehr in die Tiefe seines Bewußtseins einzudringen.

Die Technik, die beim autogenen Training erlernt wird, unterliegt bestimmten Gesetzen, die eng an den Erfolg gekoppelt sind. Eines der fundamentalen Lerngesetze ist das häufige, regelmäßige und schrittweise Wiederholen der Übungen auf ein bestimmtes Ziel hin. Der Lernende bringt sich dabei in einen Zustand der ,,konzentrativen Selbstentspannung“, d.h. die Gedanken richten sich ausschließlich auf die Entspannung des eigenen Körpers. Der Lernende sollte sich für seine Entspannungsübungen in einen Raum zurückziehen, in dem er alleine und ungestört mit dem autogenen Training beginnen kann. Ruhe ist eine wichtige Grundvoraussetzung, damit sich sein Interesse ausschließlich auf sein Innenleben konzentriert und mit der formelhaften Vorsatzbildung begonnen werden kann.

Mit zunehmender Übung erfährt dann der Lernende die schrittweise Loslösung von Verstand und Wille. Je tiefer es ihm gelingt, in sein Bewußtsein einzutauchen, desto befreiender wird die Wirkung mit dem Ziel der körperlichen und seelischen Harmonie empfunden.

Im folgenden lesen Sie nun die Ausführungen von der Psychologin Frau Ruth Dünkel , die sich jahrelang intensiv mit dem autogenen Training bei MS-Betroffenen auseinandergesetzt hat und aus ihren bisherigen Erfahrungen berichtet:

Die Anwendung des autogenen Trainings

Bei der Beratung und Betreuung von Multiple Sklerose-Patienten habe ich 1972 angefangen, das AT nach J. H. Schultz anzuwenden und zunächst nur bei den leicht an MS Erkrankten Erfolge verzeichnen können.

Nach langjährigen eingehenden Beobachtungen bin ich dazu übergegangen, das AT schrittweise immer mehr den spezifischen Schwierigkeiten auch der schwer erkrankten Patienten anzupassen. Dabei habe ich folgende MS-Symptome berücksichtigt:

die schnelle Ermüdbarkeit und die damit verbundene Konzentrationsabnahme, Blasenstörungen, Spastizität, kalte Glieder,
körperliche und psychische Unsicherheiten,

und festgestellt, daß auch der schwerst Erkrankte mit dem MS angepaßten AT gut zurecht kommt. Der Multiple-Sklerose-Patient verbraucht seine Kräfte im täglichen Leben schneller als früher, d.h. seine Ermüdungsgrenze ist enger geworden und damit die Leistungsspanne verkürzt. Durch täglich mehrmalige Pausen mit einem angepaßten AT kann der Patient lernen, seine Kraftreserven wieder aufzufüllen und seinen Gesamtzustand zu beeinflussen.



Ein Heilmittel der Multiplen Sklerose ist das autogene Training aber nicht.


Da für manche Patienten das autogene Training nicht mit einem Lernkurs realisierbar ist, gebe ich am Schluß meiner Ausführungen den genauen Ablauf der konzentrativen Selbstentspannung für MS-Patienten wieder, damit diese das AT selbst erlernen können. Ich mache darauf aufmerksam, daß die ersten Versuche oftmals ohne Erfolg ablaufen. Erst nach mehrmaligem Wiederholen und Einarbeiten in den Ablauf des ATs stellt sich allmählich der Erfolg ein. Autogenes Training ist kein Leistungssport. Entspannung und Körperreaktionen sollen nicht mit dem Willen, sondern mit der Vorstellung erreicht werden. Als unterstützende Vorbereitung zum Erlernen der konzentrativen Selbstentspannung ist ein Raum, in dem absolute Ruhe herrscht, und sind möglichst gleiche Tageszeiten für die Übung notwendig. Eine weitere Vorbereitung ist eine bequeme Haltung bzw. Lage. Am vorteilhaftesten ist es, wenn der Übende ausgestreckt auf dem Rücken liegen kann, den Kopf leicht erhöht, so daß keine Spannung im Brustkorb besteht. Die Arme liegen seitlich am Körper, leicht angewinkelt, die Hände sind mit den Handflächen nach unten gekehrt. Zur Lockerung der gesamten Beinmuskulatur sollten die Fußspitzen möglichst nach außen gerichtet sein. Die Kleidung darf nicht beengen. Gürtel, Hosenbund und Kragen öffnen, Schuhe nach Möglichkeit ausziehen. Das autogene Training kann auch im Rollstuhl oder in einem Sessel bzw. Stuhl mit Armlehnen, ausgeführt werden. Auch hier möglichst alles Beengende der Kleidung lockern. Die Hände liegen bei der Sitzhaltung auf den Oberschenkeln oder auf den Armlehnen, wenn diese niedrig genug sind. Die Schultern müssen unbedingt gesenkt sein, um eine Lockerung der Rumpf-, Rücken- und Schultermuskulatur zu erreichen. Ebenso sollte der Unterkiefer gelockert sein zur Entspannung der Gesichtsmuskulatur. Die Augen sind geschlossen, um optische Reize auszuschließen.

Einige Male wird langsam und ruhig durchgeatmet. Störende und ablenkende Gedanken soll der Übende von sich abfallen lassen (nicht ärgerlich oder mutlos werden, wenn es nicht gleich gelingt). Den Satz ,,ich bin ruhig ganz ruhig und gelöst „ tief in sich hineingehen lassen, womit die konzentrative Selbstentspannung eingeleitet ist. Jetzt richtet sich die Konzentration auf die Arme, Hände, Beine und Füße mit der Vorstellung: ,

„Die Glieder werden warm „.

Dabei hilft dem Übenden der Gedanke, daß das Blut von der Magengrube warm durch die Adern strömt. ! Prof. Schultz fängt das autogene Training mit der Vorstellung von Schwere in den einzelnen Gliedmaßen an. Diese Schwerevorstellung lasse ich bei Multiple Sklerose-Patienten bewußt weg, weil der MS-Patient im Durchschnitt schon schwere Glieder hat. Eine Verstärkung halte ich für nachteilig bzw. belastend, da mir MS-Patienten berichtet haben, daß das zusätzliche Schweregefühl von ihnen als unangenehm oder als noch mehr lähmend empfunden wurde. Da durch seitenungleiche Lähmungen und Gefühlsstörungen sowie ungleiche Beweglichkeit in den Gliedmaßen, ein auf einzelne Gliederabschnitte eingestelltes Lernprogramm des autogenen Trainings nicht den gewünschten Erfolg bringt, lasse ich die Konzentration auf ,,Wärme“ von Anfang an auf beide Arme bzw. Beine gerichtet sein. Bei der gleichzeitigen Konzentration auf die angesprochenen Glieder kann der Synergismus mitwirken, d. h. daß die bessere Seite die Reaktionsfähigkeit der schwächeren Seite beeinflussen kann. Außerdem benutze ich während des ATs nicht das Wort ,,entspannt“, sondern ,,gelöst“, da ich festgestellt habe, daß für die MS-Patienten in dem Wort ,,entspannt“ noch zu viel Spannung liegt

Zeitlich begrenze ich das AT auf etwa zehn Minuten, um die Leistungsspanne des MS-Patienten nicht zu überziehen. Eine längere Konzentration bringt im Durchschnitt keine bessere Erholung oder weitere Entspannung. Eine Ausnahme bildet allerdings das AT abends im Bett zum Einschlafen, bei dem eine zeitliche Begrenzung sowie das Aufheben des ATs wegfällt.

Nach der Konzentration auf ,,Wärme“ folgt ,,ich bin ruhig und gelöst“ und die Vorsatzformel:

,,wenn ich ruhig bleibe und gelöst bin, bekomme ich jede Situation in ,den Griff“.

Diese Vorsatzformel ist wichtig für den MS-Patienten. Nun folgt wieder die Konzentration auf die Wärme der Glieder. Hinzu kommt die weitere Vorstellung ,,die Glieder werden leicht“, gerade so als ob Arme und Beine von warmem Wasser getragen werden und ,,die Glieder werden leicht, so leicht, als wenn sie gar nicht mehr zum Körper gehören“. Die Vorstellung von Leichtigkeit wird von den stärker behinderten MS-Patienten und denjenigen, die keine Wärme in den gelähmten Extremitäten empfinden können, als besonders angenehm empfunden. Jetzt wieder die Vorstellung von Ruhe und Gelöstheit mit der Vorsatzformel. Danach wieder die Konzentration auf Wärme und Leichtigkeit, und vor Abschluß des ATs noch einmal Ruhe, Gelöstheit und die Vorsatzformel:,,Wenn ich ruhig bleibe und gelöst bin, bekomme ich jede Situation in den Griff“.

Das Aufheben des autogenen Trainings geschieht durch langsames Zählen im Rhythmus des Ausatmens bis zehn. Bei ,,acht“ sollen die Glieder, soweit es möglich ist, gestreckt oder bewegt werden und erst

bei ,,zehn“ die Augen geöffnet.Tief durchatmen und dann eine Minute der Besinnung auf die Wirkung des eben beendeten ATs anschließen. — Rollstuhlfahrer versuchen bei ,,acht“ mit den Händen die Knie gegeneinander zu bewegen, wobei gleichzeitig eine Lockerung der Arme erfolgt.

Bettlägerige Patienten bewegen, was ihnen möglich ist (Kopf — Hände — Finger).

Wenn der MS-Patient gelernt hat, mit der konzentrativen Selbstentspannung zu leben, wird er feststellen, daß der Gedanke ,,ich bin ruhig und gelöst“ schon genügt, Aggressionen, Hemmungen und Ängste abzubauen. Es gibt z. B. viele Patienten, die, wenn sie zur Eile getrieben werden oder wenn sie sich beobachtet fühlen, eine Hemmung bzw. Blockierung oder verstärkte Unsicherheit der Bewegung haben. Die bis ins Unterbewußtsein eingedrungene Vorsatzformel ,,wenn ich ruhig bleibe und gelöst bin, bekomme ich jede Situation in den Griff“ hilft, die Hemmschwellen zu überwinden. Bei Patienten mit Blasenstörungen, die Angst haben, die Toilette nicht rechtzeitig zu erreichen, genügt oft die Konzentration auf die Worte ,,ich bin ganz ruhig“, um es zu schaffen. Bei Starthemmung wiederum gehört das Wort ,,gelöst“ unbedingt dazu‘ um den Blasenspasmus nicht durch Ungeduld zu steigern, sondern das Lösen zu erleichtern. Genauso wirken sich die Worte ,,ruhig und gelöst“ auf einen durch Angst oder Aufregung gesteigerten Spasmus der Glieder aus. Einige MS-Patienten haben mir berichtet, daß schmerzende Spasmen mit der Konzentration auf „ruhig und gelöst“ als weniger schmerzhaft empfunden wurden.
Andere Patienten machten die Erfahrung, daß durch das Senken und Lockern der Schultern leichte, einschießende Spasmen abgefangen werden konnten, oder durch die Konzentration auf ,,ich bin ruhig und gelöst“ die Spannungen sich leichter lösten.




Ablauf des autogenen Trainings für MS-Patienten



Ich bin ruhig –––Ganz ruhig und gelöst –––meine Schultern sind locker und gesenkt ––– mein Unterkiefer ist locker ––– die Augen sind geschlossen –––ich denke an nichts anderes als an das AT –––ich atme ruhig und langsam ––– Ruhe und Wärme strömen durch meinen Körper – von der Magengrube strömt Wärme in die Glieder ––– die Glieder werden ganz warm ––– warm ––– warm ––– angenehm warm ––– die Oberarme werden warm ––– ganz warm ––– die Unterarme werden warm ––– ganz warm ––– bis in die Hände strömt die Wärme ––– warm ––– ganz warm ––– die Oberschenkel werden warm ––– ganz warm ––– die Unterschenkel werden warm ––– ganz warm ––– bis in die Füße strömt die Wärme warm ––– ganz warm ––– die Wärme strömt von der Magengrube in die Glieder ––– warm ––– ganz warm ––– Ich bin ruhig ––– ganz ruhig und gelöst –––wenn ich ruhig bleibe und gelöst bin, bekomme ich jede Situation in den Griff –––wenn ich ruhig bleibe und gelöst bin, bekomme ich jede Situation in den Griff -die Ruhe breitet sich aus –––und begleitet mich durch den ganzen Tag –––Ruhe –––Ruhe –––Ruhe –––Ruhe und Wärme strömen durch meinen Körper die Glieder sind ganz warm –––warm –––ganz warm –––bis in die Hände strömt die Wärme –––warm –––ganz warm –––bis in die Füße strömt die Wärme –––warm –––ganz warm –––die Glieder sind warm –––ganz warm und werden jetzt leicht –––angenehm leicht –––als wenn sie von warmem Wasser getragen werden –––leicht –––leicht ––– angenehm leicht ––– als wenn sie gar nicht zu mir gehören

––– leicht ––– leicht ––– angenehm leicht ––– und warm sind die Glieder ––– Ich bin ruhig ––– Ganz ruhig und gelöst ––– ruhig bleibe und gelöst bin, bekomme ich jede Situation in den. Griff ––– wenn ich ruhig bleibe und gelöst bin, bekomme ich jede Situation in den Griff –––die Ruhe breitet sich aus –––und begleitet mich durch den ganzen Tag ––– Ruhe ––– Ruhe ––– Ruhe ––– Ruhe und Wärme strömen durch meinen Körper die Glieder sind ganz warm ––– warm ––– ganz warm ––– bis in die Hände strömt die Wärme warm ––– ganz warm ––– bis in die Füße strömt die Wärme ––– warm ––– ganz warm ––– die Glieder sind warm ––– ganz warm ––– und werden jetzt leicht ––– angenehm leicht ––– als wenn sie von warmem Wasser getragen werden ––– leicht ––– leicht ––– angenehm leicht ––– als wenn sie gar nicht zu mir gehören ––– leicht, ––– leicht ––– angenehm leicht ––– und warm sind die Glieder ––– Ich bin ruhig ––– Ganz ruhig und gelöst ––– wenn ich ruhig bleibe und gelöst, bin, bekomme ich jede Situation in den Griff ––– wenn ich ruhig bleibe und gelöst bin, bekomme ich jede Situation in den Griff -- die Ruhe breitet sich aus ––– und begleitet mich durch den ganzen Tag ––– Ruhe ––– Ruhe ––– Ruhe ––– Ich zähle jetzt bis zehn ––– Eins ––– zwei ––– drei ––– Vier ––– fünf ––– sechs ––– Sieben ––– acht: strecken, bewegen ––– Neun ––– zehn: Augen auf ––– besinnen auf die Vorsatzformel ,,wenn ich ruhig bleibe und gelöst bin, bekomme ich jede Situation in den Griff“



Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass, wenn das autogene Training vom Multiple Sklerose-Patienten beherrscht wird, schon die Worte ,,ruhig“ oder ,,ruhig und gelöst“ helfen bei jeder fordernden Situation, um diese in den‘ Griff zu bekommen, bzw. die spezifischen Schwierigkeiten gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Das Senken der Schultern bei dem Denken ,,ruhig“ oder ,,ruhig und gelöst“ ist für die äußere und innere Entspannung eine wesentliche Unterstützung.

für den MS-Patienten sollte die konzentrative Selbstentspannung zum täglichen Leben gehören. Der Behinderte kann damit das Beste aus seinem Zustand herausholen, Streß und Aggressionen abbauen und das Risiko, durch Streß oder Überanstrengung eine Verschlechterung zu erfahren, vermindern.



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Artikel: EDSS-Skala, Einteilung der MS in Schweregrade der Krankheit
Hier finden Sie weitere Informationen über die Einteilung der MS in Schweregrade der Krankheit.

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